Von Bestattungen und Hochzeiten – Devotional Humans

von Lara Otten

Eine Woche in Vlotho mit jungen Erwachsenen aus Bosnien, Rumänien und Deutschland war der Plan. Dabei entstanden über spannenden Debatten und neuen Erfahrungen auch interkulturelle Freundschaften.

Nachdem ich nachgeschaut hatte wo Vlotho überhaupt liegt, war ich sehr erstaunt, dass es wirklich alle Teilnehmenden rechtzeitig hergeschafft haben. Nach einem kurzen Kennenlernen der vielen von der Anreise erschöpften Leute, haben wir eigene Richtlinien zum Umgang miteinander erstellt. Die meisten von uns sind kurz danach schon auf den international gemischten Zimmern verschwunden, denn für den ersten vollen Tag standen bereits zwei Kirchenbesuche auf dem Plan. Für eine Gruppe mit unterschiedlicher Zeitwahrnehmung sind wir dann recht pünktlich und in sportlichem Tempo in Richtung der katholischen Kirche Heilig Kreuz gegangen und haben nach dem Gottesdienst dort unser Kirchen-Hopping zur evangelischen St. Johannis Kirche fortgesetzt.

Da die gesamte Woche mit dem Titel „Devotional Humans“ unter dem Thema stand, welche Bedeutung Religion in der jungen Erwachsenenkultur in den drei Ländern hat, haben wir im Verlauf der Woche auch noch eine Synagoge und ein orthodoxes Kloster besucht. Vor allem letzteres hat die Mehrheit unserer Gruppe tief beeindruckt, denn nach der Messe, an welcher wir teilnehmen durften, war auch noch Zeit um mit einem der dort lebenden Mönche zu sprechen. Da die Zeit leider nicht für alle Fragen, die uns unter den Nägeln brannten reichte, haben wir beschlossen einen gemeinsamen Brief mit allen Fragen zu verfassen, um diese noch zu klären.

 

Auch der jüdische Friedhof in Vlotho, sowie der gegenüberliegende städtische, vormals christliche, Friedhof wurden unter Führung von Theologin Angela Winkler in winterlicher Atmosphäre besucht.

Im Zeitzeugengespräch über Religion in der DDR haben wir Frau Winkler dann noch einmal wiedergesehen.

Ein Großes Highlight für unsere Teilnehmenden aus Bosnien und Rumänien waren natürlich auch die Ausflüge nach Bielefeld und Lemgo. Natürlich wurde von den Deutschen im Vorfeld schon viel über Bielefeld und dessen scheinbare Existenz berichtet und damit die Einleitung für nationale Vorurteile und Halbwahrheiten gegeben. So erfuhren wir beispielsweise auch, dass bosnische Männer keiner Bücher lesen…

Die restliche Zeit unseres Programmes füllte sich mit Workshops, Diskussionen und Gruppenarbeiten, die alle in den Räumen des GESW stattfanden, sodass es zum leckeren Essen und dem Kaffee nicht weit war. Zwischen viel Kuchen haben wir so einiges über Bestattungs- und Hochzeitsrituale gelernt, aber auch über das individuelle Verständnis von Religion und verschiedene Symboliken.

Trotz kleiner Verständigungsschwierigkeiten,  die durch das Gewirr von vier parallel gesprochenen Sprachen hin und wieder entstanden, sind bereits nach extrem kurzer Zeit viele intensive Gespräche entstanden. Dieses wurde auf jeden Fall dadurch begünstigt, dass alle Teilnehmenden sehr offen und gesprächsbereit waren, zum Teil aber sicher auch an unseren eigenen Richtlinien. Ein respektvolles Miteinander, gegenseitiges Ausredenlassen, gezieltes Nachfragen und auch die Akzeptanz ein Nein anzunehmen waren bei allen vorhanden. Und wenn doch mal jemand in die Muttersprache zurückfiel, wurde mit Hilfe der kleinen Phrase „Bora-Bora“ direkt wieder auf Englisch umgeschaltet, sodass es allen möglich war zuzuhören und sich am Gespräch zu beteiligen.

Die Begegnung lud natürlich auch dazu ein sich gegenseitig einige Wörter und Phrasen in den jeweils anderen Sprachen beizubringen. Glücklicherweise war der Zeitraum von etwas mehr als einer Woche lang genug um es über den standartmäßigen Austausch von Beleidigungen heraus zu schaffen. Ehe wir uns versahen schritten die Aktivitäten voran und wir lernten viel Neues über die Religion der anderen Teilnehmenden, aber auch nahezu jede_r über diejenige, die er_sie selbst praktiziert. Durch viele verschiedene Gesprächssituationen in nationalen oder internationalen, Groß- oder auch Kleingruppen haben wir viel von- und miteinander gelernt. So manches Thema wurde dann auch noch in den Essenspausen oder während der Abendfreizeit weiterdiskutiert. Nicht selten begleitet von einem hitzigen Billardmatch.

Zum Abschluss der Woche gab es dann noch einen dicken Brief für jeden, mit kleinen Nachrichten der jeweils anderen Teilnehmenden. Da wir den Großteil unserer Gruppe in Bosnien ja wiedertreffen, fiel der Abschied auch nicht so schwer und zumindestens ich bin mit vielen Eindrücken, Informationen, neuen Kontakten und dankbarem Herzen nach Hause gefahren.

Lara Otten ist Teilnehmerin des Projekts Devotional Humans am GESW. Sie studiert Slavistik und Materielle Kultur an der Universität Oldenburg.