Learning from the Past and Shaping the Future – Stärkung der Beteiligung und Empowerment junger Menschen aus Europa

Dr. Gerhard Schüsselbauer, Viorela Chiper


„If you can’t change the world, change yourself!“ (The The, britische Alternativ-Rockband)
„Bringing the Ukraine Closer to the EU“ und „Learning from the Past and Shaping the Future“ – das sind die zwei Titel der internationalen Jugendaustauschprogramme, die über Erasmus+ finanziert der Jugendbeteiligung neuen Schwung und neue Impulse geben sollen. Der zweite Teil wurde organisiert von Viorela Chiper aus Târgu Neamţ.

Junge Menschen aus Rumänien (Puzzle OptimEast, Târgu Neamţ), Polen (Fundacja Europejski Instytut Oursourcingu, Orzesze), Lettland (MakeRoom, Dobele) und Deutschland (GESW e.V., Vlotho) kamen hierbei zur ersten Jugendaktivität im April/Mai 2025 im GESW e.V. in Vlotho zusammen. Die zweite Jugendaktivität fand nun im beschaulichen und schönen Târgu Neamţ im Oktober 2025 statt. Die Kleinstadt Târgu Neamţ liegt im Nordosten Rumäniens in der Region Moldova (nicht zu verwechseln mit dem Staat Republik Moldau) und bietet mittlerweile auch sehr gute Möglichkeiten für ländlichen, sanften und urwüchsigen Ökotourismus abseits des grauenvollen Mainstreams in total überfüllten Tourismusdestinationen rund ums Mittelmeer. Man befindet sich hier in einem historisch und interreligiös sehr interessanten Teil Südosteuropas. Orthodoxie in verschiedenen Ausprägungen, Katholizismus, Protestantismus sowie das im Holocaust fast vollständig ausgelöschte Judentum prägten hier das Leben seit Jahrhunderten, ebenso wie die Dominanz von Land- und Forstwirtschaft. Von der einst sehr großen jüdischen Bevölkerung ist nach dem Holocaust heute nur noch ein verschwindend geringer Anteil übriggeblieben. Auch die kommunistische Ära unter Ceauşescu hat nach 1945 maßgeblich durch die Ausreisewelle bis 1990 zum beinahe Verschwinden des jüdischen Lebens beigetragen.

Die jungen Menschen betonen nach eigenen Aussagen, dass sich sehr viele junge Menschen in einem (unfreiwilligen) Rückzug in die Komfortzone befinden. Hier sind immer noch Spuren der Folgen der Pandemie sichtbar. Aber auch der rasante Aufstieg der Möglichkeiten durch die Weiterentwicklung der KI im digitalen Raum und im virtuellen Leben machen eine Neuorientierung notwendig. Es gibt in den Wissenschaften unterschiedliche Erkenntnisse zu den Folgen der (übermäßigen) Nutzung der sozialen Medien. Grundlegend ist jedoch die Erkenntnis, dass der gesellschaftliche, technologische und organisatorische Fortschritt in einer Volkswirtschaft zur Aufrechterhaltung von Wohlstand und Freiheit vor allem von der Nutzung des kreativen Potenzials junger Menschen sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt abhängt. Dazu dienen auch diese zwei europäischen Jugendaktivitäten, bringen sie doch den interkulturellen Austausch im Rahmen der aktiven Beteiligung für die Beteiligten voran. Ganz zentrale Voraussetzungen und Erwartungen der jungen Menschen sind: wertvolle interkulturelle Erfahrungen sammeln, Offenheit, Toleranz & Respekt, Inklusion, positives Denken in der postmigrantischen Welt, Glück & Zufriedenheit, nachhaltiges Leben, Wissen, Interesse und Motivation, Freiwilligkeit & Beteiligungsmöglichkeiten, Teambuilding, Kommunikation stärken, alle Beteiligten (auch diejenigen, die nicht so gut Englisch sprechen) einbeziehen, Verantwortung in den Workshops übernehmen, Neugierde wecken sowie Vertrauen in der Gruppe und einen safe space schaffen.

Insbesondere die Konzentration auf die Themenschwerpunkte und Querschnittsaufgaben „Partizipation von Jugendlichen“, „Förderung eines demokratischen Wertebewusstseins“ sowie „Stärkung des europäischen und interkulturellen Bewusstseins“ zeigt, dass eine thematische Zielrichtung in Verbindung mit vielfältigen Methoden des non-formalen Lernens die Teilnehmenden hervorragend aktiviert und den Diskurs fördert. Die Querschnittsaufgaben „Vielfalt“ und „Nachhaltigkeit“ bei Maßnahmen der europäischen Bildungsarbeit bedeuten auch, dass eine intensive und inhaltliche Zusammenarbeit mit Migrant*innen- oder Umweltorganisationen ausgesprochen lohnenswert ist. Um die Zukunft EU-ropas in Zeiten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sinnvoll zu gestalten, braucht es eine intensivierte Kooperation zwischen kleinen internationalen Trägern der Jugendbildung, damit vielfältige interessante Formate zu den Themenbereichen Politik und Sicherheit in Europa, Wirtschaft, Kultur, Bildung, Kommunikation und Ökologie entwickelt werden können. „Diversity“ und „Nachhaltigkeit“ umfassen alle Lebensbereiche und sind mehr als bloße Catch-all-Begriffe, die einen gewissen Lifestyle reflektieren. Die Zukunft EU-ropas gestalten heißt auch die Vielfalt und Toleranz leben und verteidigen! Hierbei setzte sich die erste Aktivität der europäischen Jugendbegegnungen besonders mit den Folgen der völkerrechtswidrigen russischen Invasion in der Ukraine auseinander. Neben Sicherheits- und Zukunftsfragen wurden auch Hilfsmöglichkeiten für die Ukraine auf lokaler Ebene sowie die Zukunft des EU-Beitritts der Ukraine diskutiert. Die zweite Aktivität rückte stärker die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten junger Menschen, das Lernen aus der gemeinsamen europäischen Geschichte und die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft in den Mittelpunkt. Wie wollen wir in Zukunft leben, ohne im permanenten Krisenmodus, dessen Auswirkungen auf psychologischer Ebene unverkennbar sind, zu verharren? Dazu zählten auch Besuche im Nationalpark der Wisente mit einem Waldbad, Workshops zu verschiedenen Bereichen des nachhaltigen Lebens sowie die Auseinandersetzung mit Fragen des Lebens, der menschlichen
Existenz, der Vergänglichkeit im materiellen Leben sowie dem Tod in einem rumänisch-orthodoxen Kloster.

Unverkennbar ist bei diesen internationalen Seminaren mit jungen Menschen, dass sich der Charakter der Begegnungsprojekte im Lauf der Zeit verändert, da immer häufiger multilaterale Projekte realisiert werden, an denen mehrere europäische Partnerorte und Partnerregionen teilnehmen. Auch im eher ländlichen Raum spiegelt sich die kulturelle Vielfalt Europas bestens wider. Das verdeutlicht schon die Vielzahl an Muttersprachen, die bei diesen Jugendbegegnungen anzutreffen sind. Die Intention ist die Förderung der Vorstellung von einem zukünftigen gemeinschaftlichen Europa, das einen Gegenpol zu unzweideutig existierenden und sich verstärkenden, teilweise brutalen nationalistischen und populistischen Tendenzen bildet. Die Zukunft der (jungen) Menschen in Europa wird maßgeblich von ihrem eigenen Engagement abhängen, sich für ihr eigenes freiheitliches Glück und Wohlergehen in einer demokratischen Ordnung einzusetzen. Eine europäische Zivilgesellschaft kann sich nur weiterentwickeln, wenn das kreative Potenzial junger Menschen in respektvollem Umgang genutzt wird und insbesondere die Beteiligung von jungen Menschen auf lokaler Ebene gestärkt wird. Es braucht nicht viel, um die Energie und Motivation, den kreativen Geist und die Emotionen junger Menschen zu wecken. Denke in kleinen Schritten, um kleine Dinge zu bewirken!

Fotos: Vergangenheit und Gegenwart, Târgu Neamţ, Oktober 2025

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