Deutsche Patriots in Polen

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Die deutsch-polnischen Irritationen um die Stationierung von Patriot-Flugabwehrbatterien in Polen scheinen beigelegt zu sein. Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda war kürzlich in Berlin um Schadensbegrenzung bemüht und bedankte sich beim deutschen Bundespräsidenten Franz Walter Steinmeier für diese wichtige Geste freundschaftlicher deutscher Solidarität. Die deutschen Patriots werden also in Polen und nicht in der Ukraine, wie dies von Jarosław Kaczyński, dem starken Mann Polens, vorgeschlagen worden war, stationiert, allerdings mit polnischer und nicht deutscher Bedienungsmannschaft.

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Zeit für Frieden?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Angesichts der zuletzt geführten Debatten könnte man meinen, dass es bei den Regierungen der führenden Staaten des Westens eine Konjunktur für die Anbahnung von Friedensgesprächen mit Russland gibt. Zudem hat die Berichterstattung zum Ukrainekrieg fast in ganz Europa abgenommen, was wohl sicher damit zusammenhängt, dass das Kriegsgeschehen sich nicht ganz so spektakulär entwickelt wie noch vor ein paar Wochen und sich eine gewisse „Gewöhnung“ eingestellt hat. Auch gibt es wieder Telefondiplomatie zwischen Scholz und Putin, Vorschläge von Macron zur europäischen Friedensordnung unter Einschluss Russlands und etwas uneindeutige Aussagen von Joe Biden im Hinblick auf seine Gesprächsbereitschaft mit Putin.

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Der Holodomor – ein Genozid?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Nach einer langen Zeit des Verschweigens und Verdrängens gelang es in der Ukraine erst nach der Orangenen Revolution (2004), wichtige Bestandteile der ukrainischen Geschichte ins Bewusstsein der Gesellschaft zurückzuholen und öffentlich zu verankern. Dies vollzog sich gegen große Widerstände innerhalb des Landes, besonders bei jenen Parteien und Interessengruppen, die ein enges Verhältnis zu Russland pflegten und an dessen Fortsetzung interessiert waren.

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„Volkskrieg“ des Terrorstaats?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Es ist wirklich erstaunlich, wie „schnell“ sich die russische Propaganda den Erfordernissen anpasst. Über Monate war nur von einer „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine die Rede, bei der lediglich „erfahrene Berufssoldaten“ und freiwillige, „idealistische Patrioten“ zum Einsatz kommen sollten. Wer das Wort Krieg in den Mund nahm, musste bald nach dem Überfall auf die Ukraine mit hohen Haftstrafen rechnen.

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Russische Literatur im Dienst des Imperialismus?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Die jüngst auch in deutschen Medien geführte Diskussion um den Stellenwert der russischen und sowjetischen Literatur im Hinblick auf den hegemonialen Anspruch Russlands, der seinen dramatischen Ausdruck in dem nunmehr seit acht Monaten geführten Krieg in der Ukraine findet, reißt nicht ab. Dass es dabei vor allem die Aussagen prominenter ukrainischer Autoren/innen sind, die der russischen Kultur, insbesondere aber der klassischen und Gegenwartsliteratur in dieser Hinsicht ein schlechtes Zeugnis ausstellen, ist nicht verwunderlich. In der Ablehnung alles Russischen ist sich momentan nicht nur die Mehrheit der Ukrainer/innen einig, sondern auch zahlreiche Intellektuelle. In entsprechenden Aussagen wird nicht nur der politischen und militärischen Führung Russlands Unmenschlichkeit und Barbarei vorgeworfen, sondern es wird auch danach gefragt, wieso so viele Russen offenbar willfährig der primitiven und zynischen russischen Kriegspropaganda, in der systematisch eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben wird, Glauben schenken. Dabei häufen sich die Stimmen, dass es gerade bedeutende russische Schriftsteller waren, die durch die Betonung der besonderen Mission Russlands, den durchgängigen Opfer- und Heldenmythos, die Herabsetzung anderer Völker (Kaukasier, Polen, Ukrainer) sowie des Westens insgesamt, dieser Geisteshaltung Vorschub geleistet und sie maßgeblich beeinflusst haben.

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Deutsche Ignoranz und Gefühlsverwirrung?

Zbigniew Wilkiewicz

„Die Ukraine hat für die meisten Deutschen, auch die gebildeten Stände, nicht existiert“ stellt der prominente Osteuropahistoriker Karl Schlögel anlässlich eines Treffens der deutsch-ukrainischen „Brücke aus Papier“ in Weimar fest und ergänzt, dass es besonders die geistige „Hochebene“ Deutschlands war, die in ihrer Arroganz und Unkenntnis auf das imperiale Russland fixiert blieb, während man die Ukraine lediglich als riesiges Durchgangsland auf dem Weg nach Moskau behandelt habe. (Kathrin Hillgruber: Widerstandskraft aus dem Bibliothekskubus. Was Aschebücher lehren: Das deutsch-ukrainische Schriftstellerprojekt „Eine Brücke aus Papier“ tagt in Weimar. In: FAZ, 8.11.22, S.9). Es fällt schwer, Karl Schlögel nicht beizupflichten. In der Tat ist es bedauerlicherweise der seit Ende Februar dieses Jahres von Russland großflächig entfesselte Krieg, der am Nichtwissen und der Arroganz der meisten Deutschen etwas verändert hat, denn die sich heldenhaft verteidigende und um ihre schiere Existenz ringende Ukraine bleibt trotz einsetzender deutscher Kriegsmüdigkeit weiterhin im Fokus der Öffentlichkeit.

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Noch immer oder wieder: Russland-Versteher?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

In einer kürzlich durchgeführten Umfrage konnte man erfahren, dass zunehmend mehr Deutsche der russischen Propaganda auf den Leim gehen, was nicht nur auf eine allgemeine Kriegsmüdigkeit, die Angst vor einem kalten Winter und die Erpressung mit einem angeblich möglichen oder wahrscheinlichen Einsatz von Atomwaffen zurückzuführen sei, sondern auch auf eine gezielte Beeinflussung der deutschen Öffentlichkeit durch eine entsprechende Kreml-Propaganda und durch deren deutsche Unterstützer.

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Deutsche Alleingänge?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

„Deutschland hat Warnungen zweier US-Regierungen zu Russland und die Zweifel der EU ignoriert. Handelsbeziehungen lassen sich nicht plötzlich beenden, aber es ist keine gute Nachricht für Europa, dass Deutschland Entscheidungen ohne seine europäischen Partner trifft.“ (El Pais, 31.10.22)

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Kein deutscher Sonderweg!?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Für viele Deutsche – vor allem Sozialdemokraten – war es nachvollziehbar, dass Bundeskanzler Scholz im Zusammenhang mit der Bewaffnung der Ukraine keine Sonderwege gehen wollte und es vermied, diesbezüglich in die erste Reihe der die Ukraine unterstützenden Verbündeten zu treten. Dabei wurde immer wieder betont, dass ein jeder Schritt gemeinsam mit den Verbündeten in der EU und der NATO abgestimmt werde. Allerdings brachte man nicht nur in Mittelosteuropa und in der existenziell bedrohten Ukraine für diese überaus vorsichtige Haltung Berlins nur wenig Verständnis auf, sondern auch westeuropäische Partnerländer zeigten sich überrascht und übten Kritik.

Daran hat sich trotz einer gewissen Aufweichung der Position des Bundeskanzlers und der Bundesverteidigungsministerin nicht viel verändert, obwohl die Kritik an der deutschen Energie-, Wirtschafts- und Außenpolitik in Gesamteuropa zuletzt eine neue Zielrichtung hat. Es sind die wirtschaftspolitischen Alleingänge, der gerade eben vom Bundestag verabschiedete „Scholzsche Doppelwumms“, aber auch die von Scholz bekämpfte gesamteuropäische Deckelung des Gaspreises, die in den meisten Staaten der EU auf Unverständnis und Verärgerung stoßen. Der französische Präsident Macron hat dies treffend zum Ausdruck gebracht, als er kürzlich hervorhob, dass Deutschland sich in der EU nicht isolieren dürfe. Bezieht man nun noch die gegenwärtig virulente Debatte um die Chinapolitik der Bundesrepublik und der EU mit ein, die sowohl in Deutschland als auch in Europa hohe Wellen schlägt, so kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, als würde sich die deutsche Führung trotz aller anderslautenden Beteuerungen erneut auf einem Sonderweg befinden.

Es ist vor allem Olaf Scholz, der ganz offensichtlich nicht nur im Hamburger Hafen, sondern demnächst auch in Peking an den weit ausgebauten Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik festhalten möchte, trotz gut begründeter Mahnungen aus deutschen Ministerien und Sicherheitskreisen und einer entsprechend kritischen bis ablehnenden Haltung etlicher europäischer Staaten. Nicht zuletzt auch der USA, was schon deshalb schwer wiegt, weil es in erster Linie die Vereinigten Staaten im Rahmen der NATO sind, die angesichts des russischen Vernichtungskriegs in der Ukraine und der Bedrohung der westlichen Welt durch das autoritäre China, Europa und Deutschland davor schützen, zu einem Spielball der russischen Geopolitik und des chinesischen Wirtschaftsimperialismus zu werden.

Der illusorische Holzweg vom „Wandel durch Handel“, der trotz besseren Wissens über lange Jahre von deutschen Spitzenpolitikern/innen mit zum Teil fadenscheinigen Begründungen im Alleingang beschritten und besserwisserisch gegen Kritik aus dem In- und Ausland beibehalten wurde, ist von Wladimir Putin brutal in die Luft gejagt worden.

Auf China bezogen formuliert Frank Bösch die Entwicklung dieses Holzweges wie folgt: „Anstatt zu einem „Wandel durch Handel“ in China kam es zu einem „Handel durch Wandel“ in Deutschland. Die Demokratien passten sich oft an Chinas Regeln an. China hat, wie nun auch Russland, die Hoffnung widerlegt, dass Handel und Kooperation langfristig zu einer politischen Liberalisierung führen.“ (Handel durch Wandel. Vor fünfzig Jahren nahmen die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik China diplomatische Beziehungen auf. Was als Fernostpolitik im Kontext des Kalten Krieges gedacht war, entwickelte bald eine Eigendynamik. Mit Hilfe des Westens und nicht zuletzt Deutschlands wurde China in kürzester Zeit zu jener Wirtschaftsmacht, die nach innen und nach außen immer repressiver auftritt. In: FAZ, 17.10.2022, S.6).