Putin testet Polen und die NATO. Trump eiert herum. Was heißt das für Europa?

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Vor knapp einer Woche hat Donald Trump dem von ihm im polnischen Wahlkampf unterstützten polnischen Staatspräsidenten Karol Nawrocki zugesichert, dass die USA hinter ihrem „wichtigsten Bundesgenossen“ in Europa stehen und keinesfalls an einen Truppenabbau der 10.000 in Polen stehenden amerikanischen Soldaten denken, dass im Gegenteil zukünftig sogar ein Aufwuchs möglich sei. Gleichzeitig ließ er verlauten, dass die USA beabsichtigen ihre Militärhilfe für die baltischen Staaten zu kürzen!

Die USA-Reise Nawrockis wurde von den rechten Medien und Parteien Polens, die gegenüber den polnischen Regierungsparteien unter Ministerpräsident Tusk seit Monaten den Anspruch erheben, mit Hilfe des ihnen ergebenen Präsidenten mitzuregieren und auch die Außenpolitik Polens maßgeblich mitzubestimmen, als großer Erfolg gefeiert.

Ein paar Tage später drangen russische Drohnen via Belarus in den polnischen Luftraum ein. Einige davon wurden von der polnischen Luftabwehr und mit Hilfe von NATO-Gerät aus den Niederlanden und Deutschland abgeschossen. Es ist eindeutig, dass es sich dabei nicht nur um eine „Provokation“ Russlands, sondern um einen Test handelt, bei dem die Bereitschaft und die Fähigkeiten der polnischen und der NATO-Luftabwehr geprüft werden sollen. Gleichzeitig spielt das psychologische Moment eine entsprechend wichtige Rolle. Die Einschläge russischer Drohnen auf polnischem Staatsgebiet, die nur geringen materiellen Schaden hervorriefen, sollen nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa und in der NATO, die sich ihrer Führungsmacht USA nicht mehr sicher sein kann, für Verunsicherung sorgen.

Während die polnische Regierung und die europäischen NATO-Partner Polens durch den Abschuss der Drohnen entschieden reagierten und sich auf diplomatischem Parkett adäquat verhielten, indem sie den russischen Angriff entschieden verurteilten und weitere konkrete Schritte zur Unterstützung des polnischen Luftraums sowie insgesamt eine massive Stärkung der NATO-Ostflanke ankündigten (Mark Rütte) reagierte Donald Trump zunächst überhaupt nicht, dann nichtssagend, und nach einem weiteren Telefonat mit „seinem Freund“ Karol Nawrocki mit der bemerkenswerten Aussage, dass es sich bei dem russischen Drohnenangriff auf Polen um einen „Irrtum“ gehandelt haben könnte.

Während Nawrocki zu den Inhalten des Gesprächs mit Trump schwieg, lehnten Donald Tusk sowie der polnische Außenminister Radosław Sikorski die „Interpretation“ Trumps in deutlichen Worten ab.

Dies alles geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem Russland dabei ist, gemeinsam mit Belarus das an der NATO-Ostflanke lange angekündigte und schon traditionelle Manöver „Zapad“ (Westen) durchzuführen. Im Vorfeld dieses als massive Bedrohung empfundenen Manövers hat Polen die Grenze zu Belarus und – nach dem russischen Drohnenangriff – auch den ostpolnischen Luftraum geschlossen und 40.000 Soldaten an der Grenze zu Belarus zusammengezogen.

Dern Artikel 4 des NATO-Bündnisvertrags wurde aktiviert und es fand auf Initiative Polens eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats statt, auf der der russische Drohnenangriff auf Polen -und damit NATO-Gebiet – entschieden verurteilt wurde. Die Erklärung der US-amerikanischen Sprecherin im UN-Sicherheitsrat fiel dabei in Richtung Russland merkwürdig zahm aus, was von etlichen polnischen Journalisten so kommentiert wurde, dass Trump wohl eher auf Putin und Lukaschenko setze als auf seinen noch kürzlich so hochgelobten Bündnispartner Polen.

Zwischenzeitlich erfuhr die europäische Öffentlichkeit, dass Trump mit seinem „verehrten Freund“ Lukaschenko, im Klartext: dem terroristischen Despoten von Belarus, der über 1.000 politische Gefangene in seinen Lagern festhält und Putin bedingungslos unterstützt, einen „Deal“ vereinbart habe, bei dem 52 politische Gefangene – zum Teil gegen ihren eigenen Willen – aus den berüchtigten belarussischen Lagern freikommen sind und des Landes verwiesen wurden.

Im Gegenzug erklärten sich die USA bereit, Sanktionen gegen Belarus aufzuheben, unter anderem gegen die belarussische Luftfahrtgesellschaft Belavia, wodurch dem belarussischen und damit auch russische Regime zukünftig die Möglichkeit eröffnet wird, an die dringend benötigten Komponenten von Boeing zu kommen, um die eigenen brachliegenden Luftfahrflotten wieder flott zu machen!

Ein weiterer „großartiger“ Deal Trumps, der ähnlich wie das Hofieren und die Aufwertung Putins in Alaska bei den vollkommen ergebnislosen „Friedensgesprächen“ der USA mit Russland, den Westen spaltet und sowohl die NATO als auch die EU in eine schwierige Position bringt.

Dass Putin nur bereit ist, einem „Frieden“ zu seinen Bedingungen – also nach Vernichtung und Besetzung der unabhängigen Ukraine sowie einem Rückzug der NATO aus Ostmittel- und Südosteuropa – zuzustimmen, ist inzwischen zwar offensichtlich, wird von der Trump-Administration, die die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Minsk angekündigt und zuvor schon eine Lockerung des Sanktionsregimes gegen Russland in Aussicht gestellt hat, geflissentlich ignoriert. Weder die jüngsten, während der amerikanisch-russischen „Friedensgespräche“ intensivierten russischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine noch die intensiven Bemühungen europäischer Spitzenpolitiker um die Gunst und Einsicht Trumps haben an dieser Haltung etwas verändern können. Seinen vollmundigen Ankündigungen und Drohgebärden Richtung Russland folgten keine Taten, vielmehr blamable Rückzieher.

Da ist es tröstlich, dass weder die schwer geprüfte Ukraine noch das sich aus gutem Grund bedroht fühlende NATO-Land Polen bereit ist, klein beizugeben und sich dem russischen Druck zu beugen. Den aktuellen militärischen Provokationen und „Tests“ Russlands im Hinblick auf die Solidarität in NATO und EU, die bereits seit langen in den baltischen Staaten, in Polen und Rumänien in zersetzender und spalterischer Absicht betrieben werden, wird man von Seiten Europas zukünftig an der Ostflanke der NATO nicht mehr nur mit diplomatischen Noten, sondern auch mit robusteren Antworten begegnen müssen, um Russland abzuschrecken. Hierzu sind trotz der Zögerlichkeit und Uneindeutigkeit der einstigen NATO-Führungsmacht USA von den europäischen NATO-Partnern adäquate Maßnahmen eingeleitet worden. Dieser Weg sollte durch eine noch massivere militärische Unterstützung der Ukraine und eine weitere Stärkung der NATO-Ostflanke weiter beschritten werden.

Die Ukraine zeigt uns seit über drei Jahren, wie man sich gegen einen militärisch überlegenen Aggressor erfolgreich verteidigt und ihm selbst empfindliche Schläge versetzt. Dabei verteidigt sie nicht nur ihre, sondern auch unsere europäische Freiheit. Wir sind als Europäer im ureigensten Interesse gut beraten, sie bei diesen militärischen Anstrengungen nachhaltig zu unterstützen, um einen echten Frieden mit Russland zu ermöglichen.

Wichtige Schritte mit entsprechenden Rüstungs- und Kooperationsabkommen sind dazu bereits unternommen worden, die Ukrainer haben inzwischen in Eigenproduktion Waffensysteme entwickelt, die das Hinterland Russlands empfindlich treffen und dessen Energieversorgung merklich beeinträchtigen. Russland sieht sich trotz chinesischer, iranischer und nordkoreanischer Militärunterstützung und trotz wahnwitziger Verluste an Menschen und Material außerstande an der Donbass-Front einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen. Moskau setzt trotz alledem weiter auf Gewalt und fordert Europa und die Nato dreist heraus: Trotz aller Misserfolge in der Ukraine und einer entschiedenen Haltung der NATO glaubt Putin noch immer seine Maximalforderungen mit einem Siegfrieden durchsetzen zu können. Man wird ihn eines Besseren belehren müssen und ihm keine Gelegenheit geben dürfen, die Ukraine zu unterwerfen, Ostmittel- und Südosteuropa zu dominieren und ganz Europa zu seiner Interessensphäre zu machen. Im Notfall werden die Europäer dies auch ohne die explizite Hilfe der USA unter ihrem erratischen und unberechenbaren Präsidenten Donald Trump tun müssen.

Schreibe einen Kommentar