Europa im Zangengriff von Trump und Putin? Polen hat die Wahl

Dr. Zbigniew Wilkiewicz

Europa und die EU befinden sich spätestens seit der Wiederwahl von Donald Trump im Zangengriff zweier Großmächte, die einvernehmlich die über Jahrzehnte geltende regelbasierte Rechts- und Weltordnung aus den Angeln heben. Während Russland schon seit dem Amtsantritt Putins dabei ist, die westliche Welt zu spalten und sich dabei

brutalster, auf Erpressung und Gewalt basierender

Methoden bedient, ohne sich um geltendes Völkerrecht und verbindliche Menschenrechtsvereinbarungen zu kümmern, sind die USA erst seit der Wiederwahl Trumps ganz offen und rücksichtslos dabei, es Putin gleichzutun und sich endgültig von dem in der EU verbindlichen westlichen Wertekanon abzuwenden.

Aufgrund der chaotischen, destruktiven und irrlichtenden Planlosigkeit des Trumpschen Vorgehens, fällt es den Partnern und Noch-Verbündeten der USA schwer, Schritt und Position zu halten, denn der amerikanische Präsident ändert seine Postulate und Anschauungen von einem Tag auf den anderen und bedient sich dabei offenkundig erfundener „Fakten“, monströser Lügen und haltloser Behauptungen. Er erpresst langjährige Verbündete und droht ihnen unverhohlen mit Gewalt, um einen für die USA vermeintlich günstigen Deal zu erzwingen. Die Reaktion der amerikanischen Zivilgesellschaft und demokratischen Opposition auf dieses zynische, autokratische und offen imperialistische Vorgehen fällt bisher recht blass aus, die einst so gerühmten „checks and balances“ funktionieren weder nach außen noch nach innen. Trump und seine Leute zerstören recht unverhohlen die einst liberale Staats- und Wirtschaftsordnung, nicht nur im eigenen Lande, sondern auch weltweit. Die ruinöse Zollpolitik Trumps wird von massiven Einmischungen in die politischen Verhältnisse und Entscheidungen anderer Staaten begleitet.

In Europa findet Trumps Vorgehensweise besonders bei der extremen Rechten nachhaltige Unterstützung. Zumal Trump Viktor Orbán und Wladimir Putin schon lange vor seiner Machtübernahme als Vorbilder gepriesen hat. Orbán und Putin führen seit langen Jahren eine nationalistische Innen- und eine revisionistische Außenpolitik. Dabei verbindet sie das ständige Bemühen, die rechtsstaatlichen Grundlagen und die Einheit der EU zu zerstören.

In Trump, der die EU als gefährlichen wirtschaftlichen und politischen Gegner der USA ausgemacht hat, haben sie dabei einen zuverlässigen Verbündeten, der den Europäern mit dem Rückzug aus der NATO und der Reduktion der amerikanischen Militärpräsenz droht, auf die sie angesichts des auf größtmögliche Ausdehnung ausgelegten Angriffskriegs Putins so dringend angewiesen sind. Die Reaktionen der europäischen Regierenden auf dieses illoyale und provokative, geradezu feindselige Agieren Trumps fallen angesichts der spürbaren Bedrohung durch Russland und angesichts der eigenen militärischen Schwäche recht blass aus. Man versucht immer wieder, Trump ins westlich-europäische Boot zurückzuholen, was aber regelmäßig misslingt.

Gleichzeitig wird der Druck jener rechtsextremen Parteien und Bewegungen in Europa, die einen Umbau der EU und den Aufbau autoritärer nationalistischer Einheitsstaaten anstreben, immer stärker. Die letzten Präsidentschaftswahlen in Rumänien und Polen mit ihren äußerst knappen Ergebnissen zeugen davon. Während die EU in Rumänien mit dem knappen Sieg des liberalen Kandidaten Nicuşor Dan vorläufig mit einem blauen Auge davongekommen ist, verheißt sie zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in Polen, die in gut einer Woche zwischen dem liberalkonservativen EU-freundlichen Kandidaten der Bürgerplattform Rafał Trzaskowski und dem rechtsextremen und EU-feindlichen Kandidaten der PiS, Karol Nawrocki, entschieden wird, nichts Gutes. Rein rechnerisch liegt das rechte und rechtsextreme Lager nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen recht deutlich vor den gemäßigten und linken Parteien Polens, zumal einige Vertreter der Regierungskoalition als Konkurrenten im Präsidentschaftswahlkampf gegeneinander aufgetreten sind.

Die in der Stichwahl am 1. Juni 2025 nicht unwahrscheinlich scheinende Wahl des rechtsextremen Karol Nawrocki zum Staatspräsidenten bedeutet schlicht und ergreifend einen fünfjährigen Stillstand in Sachen Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und Reformierbarkeit Polens, denn dann würde die unrühmliche Politik Andrzej Dudas fortgesetzt, der in Pervertierung seiner Funktion als Staatspräsident die polnische Verfassung mehrfach gebrochen und die nach den Sejm-Wahlen vom Oktober 2024 von der Tusk-Regierung betriebene Rückkehr Polens zur Rechtsstaatlichkeit immer wieder durch sein parteiisches und dem Machterhalt der PiS dienendes Veto verhindert hat.

Unabhängig davon stellt sich allerdings auch in Polen die Frage, warum so viele Wahlberechtigte, darunter zahlreiche junge Menschen, von gemäßigten Parteien abrücken und sich rechts- bzw. linksextrem zu orientieren scheinen? Besonders die Hinwendung zu ausländerfeindlichen und rassistischen Parolen sowie die Hetze gegen Migranten und Geflüchtete, die von der polnischen Rechten immer wieder mit einer herben Kritik an der Migrationspolitik der EU verbunden wird, hat bittere Früchte getragen. Die Einflussnahme Russlands durch den an der Grenze zu Belarus erzeugten Migrationsdruck auf der einen Seite sowie die von Trump betriebene rechtsfreie und rücksichtslose Ausweisungs- und Diskriminierungspolitik gegenüber (illegalen) Migranten sowie unerwünschten Ausländern, die von der Trump-treuen polnischen Rechten für ihre innenpolitischen Ziele auf Polen übertragen und gnadenlos ausgeschlachtet wird, befördern ebenso weit verbreitete identitäre und xenophobe Haltungen.

Ähnlich wie in ganz Europa ist die extreme Rechte auf dem Vormarsch, und da sie sich nicht nur der Hilfe Putins sicher sein kann, sondern auch prominente Unterstützung durch die sich in die inneren Angelegenheiten der EU-Staaten einmischende Trump-Administration erhält, hat sie Oberwasser. Dabei nimmt man sowohl bei der polnischen PiS als auch bei der deutschen AfD billigend in Kauf, dass eine weitere Schwächung und Zersetzung der EU die europäischen Staaten insgesamt schwächen und zu einem Spielball der zynisch und rücksichtslos agierenden Autokraten Putin und Trump geraten ließe.

Ähnlich wie der Ausgang der Bundestagswahlen vom 23. Februar 2025 ist der Ausgang der am 1. Juni erfolgenden Präsidentschaftswahl in Polen für die gesamte EU von eminenter Bedeutung. Toleranz, Offenheit, Frieden in Freiheit, aber auch die Bereitschaft, diese Werte entschieden gegen autokratische und imperialistische Tendenzen und Angriffe von innen und außen zu verteidigen, haben zur Voraussetzung, dass die Europäer erkennen, was ihnen droht, wenn sie den falschen Verheißungen rechtsextremer, autokratischer Populisten im In- und Ausland folgen.

Man darf sehr gespannt sein, ob die Polinnen und Polen die entsprechenden Schlüsse aus acht Jahren uneingeschränkter PiS-Herrschaft gezogen haben und zur Stabilisierung ihres Landes und der EU beitragen werden oder sich für einen Weg der Isolation und des politischen Stillstands entscheiden, der sie in Zukunft in eine noch größere Abhängigkeit von Putin und Tump bringen würde.

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