Lernen und Leben im sozialen Raum – Zukunft der politischen Jugendbildung

Von Dr. Gerhard Schüsselbauer

Ende Februar 2021 beschäftigte sich eine große Online-Konferenz, organisiert vom „Bundesausschuss politische Bildung bap“ sowie von der „Gemeinsamen Initiative der Träger Politischer Jugendbildung GEMINI“, mit der Gegenwart und Zukunft politischer Bildungsinhalte und -formate.

Spannend ist in diesem Zusammenhang, dass das Lernen und Erleben politischer Bildung für Jugendliche vor allem mit dem Konzept von sozialen Räumen verbunden werden kann (Martina Löw, Raumsoziologie). Soziale Räume können dabei die Familie, der Freundeskreis, Jugendgruppen oder Bildungsräume sein. Jugendliche müssen daher vor allem in ihren sozialen und medialen Räumen (Social Media) wahrgenommen und abgeholt werden. Austausch, Erfahrung und Wissensvermittlung finden vor allem in diesen außerschulischen Räumen statt, die ganz andere Möglichkeiten als die Sachzwänge der klassischen Schulbildung bieten. Die große Chance in der Zeit nach der Covid-19-Pandemie liegt darin, das „Andere“ des Charakters in der dynamischen Gestaltung von außerschulischer Bildung und der Attraktivität von Begegnungen hervorzuheben. Offenheit und Diversifizierung sind nicht nur Schlagworte, sondern die wesentlichen Bausteine zur Stärkung jugendpolitischer Strukturen.

Die Wichtigkeit der Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter muss in besonderem Maße hervorgehoben werden. Die Vermittlung grundlegender Werte wie Menschenrechte, Gleichheit, Toleranz und das Wissen über die fundamentalen Grundlagen der Demokratie sind unverzichtbarer Bestandteil auch der jungen Gesellschaft. Politische Bildung für Jugendliche, aber auch für Erwachsene, wird so zum Lebenslangen Lernen. Politische Jugendbildung ist dabei wesentlich mehr als nur Partizipation, denn sie umfasst als Kernaufgabe die Entwicklung und Schärfung kritischer Urteilskraft im toleranten Miteinander in der Gesellschaft. Seminare und internationale Begegnung mit Jugendlichen sind Orte der Selbstfindung und Selbstverortung, aber auch der Entdeckung des „Neuen“. Dies umfasst auch ein sehr weitgefasstes Verständnis des Begriffs „Inklusion“, der sich nicht nur auf die gerechte Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen bezieht, sondern die Teilhabe aller in irgendeiner Form benachteiligten jungen Menschen fordert.

Politische Jugendbildung und Demokratiebildung sind kein Reparaturbetrieb für Fehlentwicklungen in der politischen und gesellschaftspolitischen Landschaft, sondern eröffnen vielmehr ein kreatives und gestalterisches Potenzial zur Förderung einer wertebasierten Weiterentwicklung der Menschen und der Gesellschaft. Daher kann politische Bildung auch nicht wertneutral sein, denn sie basiert auf der normativen Grundlage des Grundgesetzes. Demokratie an sich ist genauso ein Wert wie Menschenwürde, Gleichheit oder Freiheit. Diese Werte bedingen einander zwingend. Ein weiterer sehr fruchtbarer Ansatz ist in der geforderten stärkeren Verzahnung der Bildungspraxis der außerschulischen Bildung und der Wissenschaft und Forschung zu sehen. Vor allem in den Sozialwissenschaften liegen hier viele Austauschmöglichkeiten mit der Bildungspraxis brach, zumal es an thematischer Vielfalt nicht mangelt. Die größte Herausforderung ist allerdings, und das stellt der jüngst veröffentlichte 16. Kinder- und Jugendbericht des Bundesjugendministeriums heraus, ist der Wille, die Demokratiebildung in den vorhandenen Strukturen zu stärken und ein sehr weites Verständnis für Räume der politischen Jugendbildungsarbeit zu fördern. Auch in der politischen Jugendbildung muss man die Dinge nicht ständig neu erfinden, aber in einer sich dynamisch ändernden Welt anders über die Dinge denken!